Fundstück in Hösel: Was schert die Politiker?

Jetzt hat auch Hösel einen öffentlichen Bücherschrank. Zwar etwas klein geraten im Vergleich zu dem Exemplar bei der Kirche Peter und Paul, aber immerhin. Eine gute Sache, für die auch ich gerne gespendet hätte, wenn da nicht der Vorsitzende und Projektleiter ein übles Pamphlet gegen mich und meine Freunde unterschrieben hätte. Naja, es gibt genug wohltätige Organisationen, die Gutes tun ohne sich politisch anzubiedern.

Es ist eine Schwäche von mir. Ich kann an keinem öffentlichen Bücheregal vorbeigehen ohne einen Blick auf die dargebotenen Titel zu werfen. Zwischen den ganzen Readers-Digest-, Bücherbundexemplaren oder Trivialen findet sich gelegentlich auch ein schönes Fundstück, das sich dann in meine häusliche Bibliothek einreiht.  Auch in Hösel wurde ich jetzt fündig: Ein wahres Prachtexemplar. Hans Herbert von Arnim: Staat ohne Diener. Untertitel: Was schert die Politiker das Wohl des Volkes? 

Der Einband gibt ein erschreckendes Fazit:

Der Parlamentarismus steckt in einer schweren Strukturkrise, die an die Substanz des demokratischen Gemeinwesens geht. Auf der Suche nach den Ursachen kommt der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim zu dem Befund, daß die politische Klasse sich weitgehend verselbständigt hat und ihre Entscheidungen über die Köpfe der Bürger hinweg trifft. Staatsversagen, Machtmißbrauch und Entmündigung des Volkes sind die Folgen. Um hier gegenzusteuern, müssen auf allen Ebenen von Staat und Gemeinden wirksame Kontrollinstanzen eingerichtet und dem Bürger mehr Einfluß gegeben werden.

Das Buch ist praktisch neu ohne jede Gebrauchspur. Klar: Der Autor, Professor für Staatsrecht,  war und ist mir ein Begriff als analytischer Kritiker der Altparteien, die sich (Originalton!) den Staat zur Beute gemacht haben. Ich hatte von Armin zitiert, als mich bei der letzten Politbattle in der hiesigen Stadthalle der Moderator lauernd fragte wie denn wohl der Slogan „Hol Dir Dein Land zurück“ gemeint sei. Der Herr hatte sich eine andere Antwort erhofft.

Bei der Lektüre des Einbands könnte man meinen, dass das Werk erst jüngst erschienen sei. Falsch! Es wurde bereits vor dreißig Jahren veröffentlicht. Nichts hat sich seitdem zum Guten gebessert, ganz im Gegenteil. Die Parteien haben die Macht über ihre Untertanen und Pfründe weiter ausgebaut und verfestigt und längst auch die meisten Printmedien, Funk und Fernsehen auf Linie gebracht. Jetzt verteidigen sie wie Raubtiere ihre Beute mit Klauen und Zähnen. Wer das Buch liest, der versteht, warum das Altparteienkartell die neu formierte demokratische Alternative mit allen, wirklich allen unlauteren und widerwärtigen Mitteln bekämpft. Fairness? Nur eine leere Worthülse. Die Demokratie ist tatsächlich in Gefahr, und das nicht erst seit gestern und auch nicht durch die AfD, wie uns die gegenwärtigen Machthaber gerne weis machen wollen. Das Problem liegt ganz woanders und das wird in dem Werk des Staatsrechtlers überdeutlich.

Wie gesagt, das Werk erschien 1993. Öffentliche Wirkung? Keine. Es erinnert irgendwie an das regelmäßige Schwarzbuch des Rechnungshofes, wo anschaulich an Beispielen beschrieben ist wie die Politiker mit unseren Steuergeldern umgehen. Die Folgen? Nichts weiter als gelangweiltes Achselzucken bei den Verantwortlichen und dann ab in den Papierkorb. So, als wäre nichts gewesen.

Hochbetagt, ist Hans-Herbert von Arnim immer noch unermüdlich als Autor und Kritiker der herrschenden Verhältnisse aktiv. Arbeiten wir daran, dass er den Politikwechsel in diesem Land noch erleben möge!  (Bernd Ulrich)