Ratinger Lückenpresse: Kein Mitleid mit St. Marien

Man sollte meinen, dass die Nachricht von der Insolvenz und baldigen Schließung des St. Marienkrankenhauses in Ratingen wie eine Bombe in den Lokalredaktionen einschlagen würde und sich dann wie ein Lauffeuer im Blätterwald ausbreitet. Weit gefehlt! Die schon am 4. April bekannt gewordene böse Botschaft von der Insolvenz und bevorstehenden Schließung wurde im Ratinger Wochenblatt vom 6. April mit keinem Sterbenswörtchen erwähnt! Die bildhafte Darstellung einer Komödiantin mit dem Untertitel „Hinterm Höhepunkt geht’s  weiter“ schien den Machern dieses Blättchens wohl ungleich wichtiger:

Erst eine Woche später, am 13. April, fand sich ganz versteckt in der linken Ecke des Roten Punktes (Nomen est omen) ein dezenter Hinweis. Die Vorschau auf eine Autoausstellung hatte unübersehbar Vorrang. Wer allerdings den Text lesen wollte, der musste schon ein Smartphone mit Kamera und Internetanschluss zücken um sich dann mittels QR-Code den Zugang zum Geschriebenen auf seinem Handy-Bildschirm zu verschaffen.  Umständlicher geht’s nimmer:

Wenige Tage später unternahmen in einer spektakulären Aktion vier leitende Oberärzte einen letzten verzweifelten Rettungsversuch. Mit drastischen Beispielen machten sie auf vier Seiten den Adressaten unmissverständlich klar, was die Schließung des Krankenhauses für die Ratinger Bevölkerung bedeutet. Neben den Spitzen von Politik und Verwaltung wurde der vollständige Text auch dem Wochenblatt zugeleitet. Reaktion der Redaktion in der Folgeausgabe am 20. April: Null, nichts, gar nichts! Nicht eine einzige Silbe! Der aufrüttelnde Brandbrief wurde einfach unterschlagen!Es müsste nun auch dem Gutgläubigsten klar sein: Hier in Ratingen machen Presse und Politprominenz gemeinsame Sache. Und für die ist das Schicksal des St. Marien Krankenhauses längst abgehakt. Man spricht einfach nicht mehr darüber. Man wünscht sich ein Begräbnis in aller Stille.

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Der Kampf um das Marienkrankenhaus

Wenn Stadtspitze und die sie tragenden “Demokratischen Fraktionen” gehofft hatten, nach ein paar halbherzigen Lippenbekenntnissen das Ratinger Krankenhaus in aller Stille einfach so beerdigen zu können, dann sehen sie sich nun getäuscht. Die Rechnung ging nicht auf. Nachdem der WDR als auch Radio Neandertal bereits darüber berichtet hatten, bequemte sich auch die Rheinische Post, dem Brandbrief der Oberärzte in einen Beitrag zu erwähnen.  Hier der Wortlaut des Schreibens:

Wir, die Unterzeichnenden des folgenden Briefes, sind leitende Oberärzte der Inneren Medizin, der Allgemein- und Viszeralchirurgie, der Anästhesie und Intensivmedizin und der Unfallchirurgie des Sankt Marienkrankenhauses in Ratingen. Das Haus als alleiniger Notfall- und Akutversorger der Stadt Ratingen findet sich aktuell in einer Situation, die es aus unserer Sicht zwingend erfordert, uns auf dieser Art und Weise zu Wort zu melden.

Seit dem letzten Donnerstag dem 04.04.2024, steht nun fest, dass das seit dem Januar laufende Schutzschirmverfahren in Eigenverantwortung durch die Geschäftsführung zu keinem Abschluss geführt hat. Ein Investor konnte nicht gefunden werden, so dass nun die Insolvenz, zurzeit noch in Eigenverantwortung, durch das Amtsgericht angeordnet worden ist. Das bedeutet nun, dass das Sankt Marienkrankenhaus in Ratingen nur noch einige Wochen, maximal jedoch einige Monate die Grund- und Regelversorgung, insbesondere die Notfall Versorgung der Bevölkerung der Stadt Ratingen mit knapp 90.000 Einwohnern nicht mehr gewährleisten kann. Die Versorgungssituation in einem Landkreis mit 485000 Einwohnern und dann lediglich Einheiten in Velbert, Mettmann und Hilden/Langenfeld und ohne eine Klinik der Maximalversorgung, ist auch im Vergleich zu anderen Kreisen und Städten in Deutschland als kritisch zu beschreiben. Stand 2021 gab es noch 2397 Betten im Kreis ( 4,85 / 1000 Einwohner). Zum Vergleich: NRW-weit waren es 6,67 / 1000 Einwohner, deutschlandweit 7,8 / 1000. Seitdem sind bereits 217 Betten in Haan abgebaut worden. Ohne die Betten des Sankt Marienkrankenhauses ( bisher 191 ), fällt der ohnehin schwache Wert noch deutlich weiter. Unter Berücksichtigung der Größe dieser Stadt ist dies deutschlandweit ein trauriges und alarmierendes Alleinstellungsmerkmal, welches sicher nicht im Sinne der Beteiligten erstrebenswert sein kann.

Der bisherige Träger zeichnet sich in Bezug auf den Krankenhausbetrieb in Ratingen durch das konsequente Einhalten intransparenter Entscheidungen, begleitet von einem dröhnenden Schweigen aus. Hier scheint der eigentliche Fokus auf dem Strukturenprozess im Bereich der Seniorenheime zu liegen, für die offenbar eine gesonderte Fortbestandsregelung gefunden werden konnte.

Wir können leider keine verantwortliche Reaktion des Trägers in Bezug auf die Krankenversorgung der Bevölkerung erkennen. Es fehlt der Willen und die Kraft sich für den Erhalt des Hauses stark zu machen. Gleichzeitig haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass wohl auch dogmatische Bedenken Lösungen im Wege gestanden haben, Investoren zuzulassen.

Die Tragweite der Situation scheint den Verantwortlichen nicht vollumfänglich klar zu sein. Knapp 20000 ambulante und 7000 stationäre Patientenkontakte werden pro Jahr von der Einrichtung behandelt. Dazu kommen über 5500 Anfahrten von Kranken- und Rettungswagen, sowie mehr als 3500 Operationen. Hiervon sind nur wenige Patienten, die das Haus elektiv aufsuchen, die überwiegende Anzahl der Fälle sind akute Notfälle. Diese können nicht nur die Gesundheit der Patienten beeinträchtigen, sondern können auch eine akute Lebensgefahr bedeuten.

Akut auftretende Probleme wie Herz- und Kreislauferkrankungen, Durchblutungsstörungen von Herz, Gehirn und lebenswichtigen Organen, Lungenentzündungen, akute Atemnot, akute Entzündungen des Magen-Darm-Traktes (Blinddarm-, Gallenblasen-, Dickdarm- und Bauchfellentzündung), Bewusstseinsstörungen, Vergiftungen sowie Unfälle mit Frakturen, Luxationen und Blutungen in Organe oder das Gehirn stellen die täglichen Herausforderungen dar, die wir bisher versorgt haben. Es gibt alleine auf dem Stadtgebiet 10 Alten- und Pflegeheime, deren Bewohner auf die ortsnahe Versorgung angewiesen sind. Das waren im letzten Jahr mehr als 1000 Fälle in unserer Einrichtung.

Es ist völlig unverständlich anzunehmen, dass die bisherige Versorgungsqualität ohne das schnell zu erreichende Krankenhaus für die Bevölkerung in gleicher Weise erhalten werden kann. Die umliegenden Kliniken, die sich um diese Notfälle in Zukunft kümmern sollen, sind in der Regel ebenso ausgelastet wie unser Haus. D.h. hier kommt es im Zweifelsfalle zu Situationen in denen eine Behandlung verzögert oder verspätet, zulasten der Gesundheit des Patienten erfolgen wird. Dies gilt im Übrigen auch für den kassenärztlichen Notfalldient und für die Kinderärztliche Notfall-Praxis, die bisher auf dem Gelände des Hauses stationiert ist.

Wir erleben es mittlerweile täglich, dass wir kapazitätsbedingt Patienten aus anderen Häusern versorgen oder in andere Häuser verlegen müssen, weil entweder Personal oder Betten im primär aufnehmenden Krankenhaus fehlen.
Das auch die aktuellen Kapazitäten des Rettungsdienstes für einen derartigen Patiententourismus nicht ausreichen und zudem beim Wegfall des Krankenhauses Fahrzeuge und Personal nicht in adäquatem Umfang vorhanden sind, führt zu einer Verschärfung der Situation. Zu den zu erwartenden Mehrfahrten kommen dann noch längere An- und Rückfahrtswege und Wartezeiten in den Kliniken hinzu, die den Versorgungspool zusätzlich belasten.

Besonders tragisch ist es aus unserer Sicht, dass im Gesundheitssystem nicht etwa medizinische Parameter als Indikator herangezogen werden, um Einrichtungen in ihrem Bestand zu bewerten. Es sind rein betriebswirtschaftliche Gründe dies zu tun. So auch in unserem Falle. Die Akutversorgung von Patienten wird absolut unzureichend vergütet, so das insbesondere Häuser, die sich an der Akutversorgung beteiligen unter immensen Druck geraten, während sich andere Einrichtungen, die diese teure Versorgungsform nicht anbieten, im aktuellen Vergütungssystem Wege finden Gewinne abzuschöpfen.

Die körperliche und geistige Unversehrtheit der Menschen ist ein Grundrecht, welches aus unserer Sicht in einer Gesundheitsfürsorgepflicht von Seiten des Staates mündet. „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.” Art. 2 GG. Wir sehen daher die Politik in der Pflicht dieser Verantwortung voll nachzukommen und zu verhindern, dass Bürgerinnen und Bürger der Stadt Ratingen in Zukunft in einem Notfall ihre Gesundheit gefährden oder ihr Leben verlieren.

Wir rufen daher die Verantwortlichen der Stadt, des Kreises, des Landes und nicht zuletzt die katholische Kirche als Träger des Hauses mit dem oberstem Dienstherrn, dem Erzbischof von Köln, dringend dazu auf, sich an einen runden Tisch zu setzen, um eine Weiterführung des Betriebes ergebnisoffen zu diskutieren und zu ermöglichen. Wir werden jederzeit bereit sein, diesen Prozess zu unterstützen.

Ende des Textes. Als Ratsfraktion hatten wir mehrfach über das städtische Trauerspiel berichtet: https://afd-ratingen.de/marienkrankenhaus-klatsche-fuer-den-buergermeister 

Trauer um das Marienkrankenhaus

Wir können nur hoffen, dass dieser letzte verzweifelte Versuch bei den Verantwortlichen noch etwas bewirken möge. Wir, als kleine Fraktion mit gerade mal drei Mitgliedern im siebzigköpfigen Stadtrat vertreten,  tun unser möglichstes, werden aber immer wieder von den “demokratischen Parteien” ausgebremst.